Vereinfachung auch bei der USt?
Im Rahmen einer Steuerreform sollte es ein wesentliches Ziel sein, das Steuersystem deutlich zu vereinfachen. Dabei geht es hauptsächlich um die Abgrenzung der Bemessungsgrundlagen – auch im Falle unterschiedlicher Steuersätze für ein und dieselbe Steuer. Bei der USt beträgt der Normalsteuersatz 20% und gilt für die meisten Güter und Dienstleistungen. Die Liste der Ausnahmen, also vor allem in Bezug auf einen ermäßigten Steuersatz, ist aber lang – und nicht immer ganz einsichtig oder gar leicht zu administrieren.
So ist beispielsweise nicht immer klar, zu welchem Steuertarif Leistungsbündel (gemeinsam) versteuert werden müssen. Die entsprechenden Richtlinien regeln hier durchaus bemüht mit einer Flut an Einzelvorschriften, letztlich bleiben aber immer noch erhebliche Unsicherheiten. Während also z.B. klar ist, dass „Pferde zum Schlachten“ oder Hausgeflügel einem USt-Satz von 10% unterliegen und der Verkauf von Wildenten zum Normalsteuersatz von 20% besteuert werden muss, wird es bei der Frage, ob ein Frühstück im Rahmen einer Beherbergung „ortsüblich“ und damit ebenfalls begünstigt ist, schon komplexer: Wird dabei z.B. Sekt serviert, geht die Finanzverwaltung davon aus, dass das Frühstück nicht ortsüblich ist und daher aus dem Komplettangebot herausgerechnet und mit 20% versteuert werden muss…
Eine Vereinfachung und Reduktion der Ausnahmen macht daher systematisch generell jedenfalls Sinn in Hinblick auf eine Verschlankung des Steuersystems.
Abschaffung aller Ausnahmen?
Die ermäßigten Tarife beziehen sich im Wesentlichen (abgesehen von eher unbedeutenden Spezialfällen) auf zwei Steuersätze: 10% und 12%.
So gilt etwa der ermäßigte Steuersatz von 12% insbesondere für Abhofverkauf von Wein. Sowohl die ökonomische Bedeutung dieser Ausnahme als auch deren inhaltliche Begründung scheinen sich dem Betrachter nicht leicht zu erschließen. Eine Abschaffung (also Anhebung auf den Normalsteuersatz) sollte daher keine großen Probleme (aber auch keine nennenswerten budgetären Auswirkungen) bereiten.
Der andere ermäßigte Steuersatz von 10% umfasst eine größere Zahl von Produktgruppen und ist systematisch vor allem mit zwei Argumenten zu begründen:
- Lebensnotwendige Güter sollen begünstigt sein: Lebensmittel, Mieten, Arzneimittel etc. sind Beispiele für diese Ausnahmen.
- Aus gesellschaftspolitischer Sicht förderungswürdige Güter (Bücher, Zeitschriften,…) sollen gefördert werden.
- Bestimmte Güter werden mit anderen indirekten Steuern oder Abgaben zusätzlich belastet, die z.B. unmittelbar der Gemeinde oder einer anderen Gebietskörperschaft zugutekommen (und nicht wie die USt im Rahmen des Finanzausgleichs aufgeteilt werden) – im Gegenzug ist die USt eben niedriger. Beispiele dafür sind Tourismusleistungen, die zusätzlich noch Ortstaxen oder Tourismusabgaben unterliegen, oder Kulturveranstaltungen, die der Vergnügungssteuer unterliegen.
Jene Ausnahmen, die keiner dieser drei Gruppen zuzuordnen sind (Tierfutter,…) könnten im Sinne einer Vereinfachung durchaus ersatzlos gestrichen werden.
Chancen und Risken einer USt-Reform
Was könnte im Rahmen einer Steuerreform nun im Zusammenhang mit der USt angedacht werden?
- Die Vereinfachung des Systems macht Sinn. Ausnahmen, die schwer administrierbar und volkswirtschaftlich oder gesellschaftspolitisch nicht zu begründen sind, könnten gestrichen werden (also dem Normalsteuersatz unterworfen werden). Dadurch würde aber nicht viel an Volumen bewegt werden – was ja auch nicht das primäre Ziel einer Vereinfachung ist.
- Die Verteilungswirkung der USt ist wissenschaftlich nicht ganz einfach zu ermitteln – eine gewisse Einigkeit besteht allerdings darin, dass sie tendenziell „regressiv“ wirkt, also geringere Einkommen relativ höher belastet. Eine Anhebung der USt trifft daher jene relativ mehr, die einen größeren Teil ihres Einkommens für Konsum ausgeben.
- Eine Anhebung des ermäßigten Steuersatzes ist aus EU-rechtlichen Gründen nicht möglich, wenn man den derzeitigen Satz von 10% für Lebensmittel etc. gleichzeitig unverändert lassen möchte.
- Für Bereiche, die zusätzlich mit anderen Steuern und Abgaben belastet sind (Tourismus, etc.), könnten Wettbewerbsnachteile entstehen.
- Mit über 25 Mrd. EUR Aufkommen ist die USt eine Massensteuer. Veränderungen des Tarifs sind daher aus budgetärer Sicht extrem wirksam (können rasch die Dimension von einigen hundert Millionen oder auch im Milliardenbereich erreichen) – betreffen somit den größten Teil der Bevölkerung.
- Soll eine USt-Reform primär der Gegenfinanzierung einer Lohnsteuer- bzw. Einkommensteuertarifreform dienen, so gilt wie für andere Gegenfinanzierungsmaßnahmen auf der Einnahmenseite: Bei einer 100% Gegenfinanzierung (diese ist aber nicht ernsthaft im Gespräch bei der USt) würde sich die Steuer- und Abgabenquote nicht reduzieren. Es würde zwar zuerst mehr vom Einkommen netto übrig bleiben, dafür wären bestimmte Güter dann teurer, sodass der Kaufkrafteffekt neutralisiert würde. Aufgrund der Verteilungswirkung vor allem bei den ermäßigten Tarifen könnte hier aber sogar in Summe ein konsumdämpfender Effekt entstehen, weil geringere Einkommen eine höhere Konsumquote aufweisen.
- Eine USt-Reform ist nicht losgelöst vom Finanzausgleich zu sehen, vor allem in Bereichen, in denen zwar ein ermäßigter USt-Satz besteht, aber noch zusätzliche Abgaben anderer Gebietskörperschaften (Vergnügungssteuer, Tourismusabgaben,…) bestehen.
- Schließlich sind auch Wettbewerbseffekte im internationalen Kontext zu berücksichtigen (z.B. im Tourismus).
Eine vereinfachende USt-Reform mit Augenmaß wäre langfristig eine sinnvolle Maßnahme, als Gegenfinanzierungsoption für eine Steuerreform ist die USt aber ein sensibler Bereich, der sehr sorgfältig behandelt werden sollte.