Ende der Franken-Deckelung
Mit ihrer Ankündigung, den Kurs des Schweizer Franken nicht mehr auf 1,20 zu deckeln, hat die Schweizer Notenbank für Überraschung auf den Finanzmärkten gesorgt. Dass dieser Deckel nicht für alle Ewigkeit aufrecht erhalten bleiben wird, war zwar klar, aber der Zeitpunkt war doch einigermaßen unerwartet. Dabei gibt es für die SNB doch einige plausible Beweggründe:
- Die Stabilisierung des Wechselkurses hat dazu geführt, dass die SNB in den letzten Monaten enorme Mittel in Euro veranlagt hat. Die anhaltenden Diskussionen im Zusammenhang mit Griechenland, aber auch die geopolitischen Risken in Russland und der Ukraine sowie im Zusammenhang mit islamistischen Terroranschlägen haben den Euro aber weiter unter Druck gebracht, so das hier ein enormes Abwertungsrisiko und damit Verlustrisiko für die SNB besteht.
- Es ist auch fraglich, ob die Instrumente der SNB noch ausreichen, um die Deckelung überhaupt effektiv umsetzen zu können. Die Leitzinssätze in der Schweiz sind im deutlich negativen Bereich, das geldpolitische Instrumentarium scheint somit zu einem großen Teil ausgereizt. Die Ankündigung der EZB, durch weitere Anleihenkäufe die Geldpolitik zusätzlich zu lockern, erschwert es für die SNB zusätzlich, den Wechselkurs erfolgreich zu stabilisieren.
Ungeachtet dieser Tatsachen bedeutet dieser überraschende Schritt der SNB dennoch zunehmende Turbulenzen und Risken für die gesamte Wirtschaftsentwicklung, sowohl auf den Finanzmärkten als auch in der Realwirtschaft.
Effekte der Freigabe des Schweizer Franken
- Für die Schweiz bedeutet die Aufwertung des Franken, die sich derzeit im Bereich von 10-20 % bewegt, eine drastische Verschlechterung der Wettbewerbsfähigkeit auf den internationalen Märkten. Es gilt freilich zu bedenken, dass die bisherige Deckelung des Wechselkurses den Schweizer Franken künstlich gedämpft hat, sodass diese Rücknahme der geldpolitischen Strategie das aufgestaute Aufwertungspotenzial nun schlagartig freigesetzt hat. Langfristig wäre ein derartiges Wechselkursregime nicht haltbar gewesen, der Zeitpunkt der Aufhebung in einer Phase permanent stagnierender Konjunkturerwartungen ist für die Schweiz aber sicher nicht unproblematisch. In der Schweiz drohen somit eine Dämpfung des Wirtschaftswachstums und stärkere Anspannungen auf dem Arbeitsmarkt.
- Obwohl die SNB noch vor einigen Tagen angekündigt hat, an der Deckelung als Säule der Geldpolitik festhalten zu wollen, wurde nun überraschend der Deckel abgeschafft. Zwar bleibt einer Notenbank bei derart drastischen Maßnahmen eigentlich keine andere Wahl, als überraschend und unangekündigt zu agieren, da die Märkte sonst nach einer Ankündigung die Effekte vorwegnehmen würden und auch die Volatilitäten sich über einen längeren Zeitraum erhöhen könnten. Auf der anderen Seite entsteht hier dennoch ein nicht unerhebliches Reputationsrisiko für die SNB, dass in Zeiten hoher Unsicherheiten auf den Märkten nicht ungefährlich ist.
- Für die Staaten der Eurozone können sich zwar unmittelbar Wettbewerbsvorteile gegenüber der Schweiz ergeben, wobei insbesondere Tourismus und Handel zum Beispiel in Westösterreich positiv betroffen sein könnten. Ob diese realwirtschaftliche Impulse jedoch die negativen Effekte auf den Finanzmärkten und die Erhöhung der Unsicherheit in der Realwirtschaft kompensieren können, erscheint mehr als fraglich.
- In Österreich sind geschätzte 30 Milliarden Euro an Fremdwährungskrediten in Schweizer Franken im Umlauf. Eine Aufwertung des Schweizer Franken von 10-20 % führt daher rechnerisch zu einem gesamtwirtschaftlichen Schaden von 3-6 Milliarden Euro für betroffene Kreditnehmer. Dabei handelt es sich um private Haushalte, Unternehmen, aber auch die öffentliche Hand. Wie hoch diese Risken bzw. Schäden tatsächlich sind, hängt nicht nur davon ab, ob und wann sie realisiert werden, sondern auch davon, ob es hier entsprechende Risikoabsicherungsgeschäfte gegeben hat oder nicht. Unzweifelhaft ist aber, dass in diesem Bereich erhebliche negative Potenziale vorhanden sind.
- Die Freigabe des Schweizer Franken ist aber auch dahingehend zu interpretieren, dass das Vertrauen in den Euro und die Eurozone insgesamt drastisch gesunken ist. Dieses Signal kann die Investitionszurückhaltung weiter verstärken und damit die Realwirtschaft der Eurozone weiter belasten.
In Summe dürften also auch für die Eurozone die negativen Effekte dieser Entwicklung mögliche positive Aspekte im Bereich der internationalen Wettbewerbsfähigkeit deutlich überwiegen.
Was sollen Kreditnehmer nun machen?
Diese Frage ist in der heutigen Situation nicht einfach zu beantworten. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass die Devisenmärkte unmittelbar nach der Ankündigung drastisch überreagiert haben. Dies zeigt sich auch darin, dass der Schweizer Franken zuerst sehr stark aufgewertet hat, nach einigen Stunden sich die Situation aber wieder entschärft hat. Dennoch bleibt auch derzeit eine massive Aufwertung des Schweizer Franken gegenüber dem Euro vorhanden im Vergleich zu den letzten Monaten. Die Freigabe des SFR-Wechselkurses hat letztlich nicht den EUR abgewertet, sondern die Abwertung des EUR in den letzten Wochen auch gegenüber dem USD nunmehr auch auf den Wechselkurs zum Franken durchschlagen lassen.
Wie es weitergeht, wird nun vor allem davon abhängen, ob sich das Vertrauen in den Euro weiter verschlechtert oder wieder stabilisiert. Besonders kritisch werden in den nächsten Tagen die Wahlen in Griechenland sein und die darauf folgenden Entwicklungen. Auch die Frage, ob die EZB die Geldpolitik tatsächlich weiter lockert und auch über Staatsanleihenkäufe verstärkt auf den Geldmärkten operiert, wird die Erwartungen der Marktteilnehmer maßgeblich beeinflussen.
Für Kreditnehmer bedeutet das eine extrem unsichere Situation. Auch wenn es nicht ausgeschlossen ist, dass es zu einer länger anhaltenden und sich sogar noch verstärkenden Aufwertung des Schweizer Franken kommt, besteht dennoch die Möglichkeit einer Erholung der Eurozone in den nächsten Monaten bzw. Jahren. Bei noch langen Restlaufzeiten von Fremdwährungskrediten würde dies tendenziell für vorsichtiges Abwarten sprechen. Bei kurzen Restlaufzeiten ist guter Rat sogar noch teurer: derzeit kann wohl niemand seriös abschätzen, ob es klüger ist, einen beschränkten Verlust jetzt zu realisieren oder in der Hoffnung auf eine Verlustminderung weitere Risken einzugehen und im Schweizer Franken zu bleiben – und damit auch schlechter aussteigen zu können als derzeit.
Leider zeigt sich durch diese Entwicklungen, wie wichtig und richtig die Strategie in Österreich war, die Neuaufnahme von Fremdwährungskrediten in den letzten 5 Jahren zumindest im Bereich der Privatkunden massiv einzuschränken, um individuelle, aber auch volkswirtschaftliche Risken zu minimieren.