Bundeshaftung für Länder?
Die Diskussion über Bundeshaftungen für Länder ist wieder aufgeflammt, seit bekanntgeworden ist, dass der Bund vor Jahren den entsprechenden Landesgesetzen, durch welche die Hypo-Haftungen noch weiter ausgedehnt werden konnten, sogar aktiv noch vor Ende der Frist zugestimmt hat.
Selbstverständlich wird dadurch deutlich, dass diese (inzwischen bereits so nicht mehr aktuelle) Kontrolle der Landesgesetzgebung durch den Bund weder effizient noch sinnvoll umgesetzt wurde. Der Bund hätte auch nur den Gesetzesbeschluss aufschieben können, also letztlich kein taugliches Mittel gehabt, um es zu verhindern. Auch konnte aus dem Gesetzesentwurf zu den (damals nicht nur in Österreich, sondern auch in anderen Ländern wie z.B. Deutschland) leider durchaus nicht unüblichen Haftungsermächtigungen wohl kaum auf die Höhe der danach tatsächlich eingegangen Haftungen geschlossen werden.
Auf der anderen Seite haben schon Jahre zuvor einige (wenige) Akteure in Kärnten (z.B. der damalige Wirtschaftskammerpräsident Pacher) oder im Rest Österreichs (z.B. beim gegenständlichen Gesetz die FMA) entsprechende Bedenken in Bezug auf die Haftungsvolumina geäußert.
Fakt ist also, dass das Haftungsthema nicht unbekannt war, aber weder auf Landesebene noch auf Bundesebene geeignete Maßnahmen einer Gegensteuerung stattgefunden haben.
Freibrief für das Land Kärnten?
Inhaltlich stellt sich die Frage, ob man selbst etwas versprechen und im Nachhinein dann argumentieren kann, weil irgendjemand anderer es nicht verhindert hat, wäre derjenige schuld und müsste die Haftungen übernehmen. Das ist eine Argumentationslinie, die sich sicher nicht halten lässt. Noch weniger lässt sich daraus ableiten, dass die Haftungen des Landes Kärnten gar ungültig wären. Das Gesetz ist gültig zustande gekommen, und jeder Gläubiger konnte darauf mit Fug und Recht vertrauen, dass Haftungen eines Bundeslandes auch im Ernstfall halten. Für Kärnten ergibt sich dadurch jedenfalls kein Freibrief.
Keine Haftung für den Bund?
Rechtlich haftet der Bund nicht für ein einzelnes Bundesland. Somit könnte der Bund sich theoretisch zurücklehnen. In der Realität ist es aber aus verschiedenen Gründen anders, insbesondere:
- Die Pleite eines österreichischen Bundeslandes wäre aus ökonomischen, sozialen und politischen Gründen mehr als problematisch.
- Das Vertrauen in die Bonität nicht nur Kärntens, sondern auch aller anderen Bundesländer wäre mit einem Schlag zerstört, sodass sich für Jahre die Bundesländer nicht mehr selbst auf dem Finanzmarkt finanzieren könnten. Dann müsste erst recht der Bund im großen Stil einspringen – so wie derzeit schon für Kärnten.
- Der Wirtschaftsstandort würde massiv leiden, wenn das Vertrauen in stabile öffentliche Rahmenbedingungen nicht mehr gegeben wäre. Arbeitslosigkeit und Konjunktureinbruch wären mögliche Folgen.
- Auch die Bonität des Gesamtstaates und damit des Bundes wäre geschädigt. Ein Downgrading des öffentlichen Sektors würde auch auf Landesgesellschaften und private Unternehmen durchschlagen und deren Finanzierung erschweren und/oder verteuern.
- Der Bund haftet formal nicht für die Länder, aber er hat über die Bundesfinanzierungsagentur (ÖBFA) selbst Schulden aufgenommen und diese Geldmittel an die Länder weitergereicht – siehe unten.
Bund haftet zwar nicht, sondern ist selbst Schuldner bei Landesschulden
Die Länder haben im Jahr 2014 gut 9 Mrd. EUR Finanzierungen über die ÖBFA aufgenommen. Das heißt, dass sich der Bund das Geld am Markt ausgeborgt und an die Länder weiterverborgt hat. Das ist analog zur Pfandbriefstelle – auch dort hatte die Pfandbriefstelle Kredite aufgenommen und an die Hypo weitergereicht; durch das Moratorium bekam die Pfandbriefstelle ihre Forderung von der Hypo (=HETA) nicht ausbezahlt, musste aber trotzdem den Gläubigern Rückzahlungen leisten.
Würde also ein Bundesland aufgrund einer Pleite der ÖBFA die Finanzierungen nicht zurückzahlen können, dann müsste der Bund trotzdem an die Gläubiger zahlen – und würde auf dem Schaden sitzenbleiben.
Und dieser Schaden wäre nicht gerade unerheblich. Schon jetzt (Stand 2014) haben die Bundesländer mehr als 9 Mrd. EUR Schulden bei der ÖBFA, Kärnten etwa 1,4 Mrd. EUR (exkl. der aktuellen Ausleihungen im Jahr 2015). Insgesamt haben die Länder und Gemeinden Finanzschulden von etwa 25-28 Mrd. EUR (je nach Einbeziehung bestimmter ausgegliederter Rechtsträger). Kärnten hat Finanzschulden (inkl. ausgegliederte Rechtsträger) von etwa 3,2 Mrd. EUR.
Damit wird klar, dass etwa ein Drittel (!) der Schulden der Ländern letztlich Schulden sind, für die der Bund nicht haftet, aber direkter „Kreditnehmer“ aufgetreten ist – und das ist letztlich schwerwiegender als eine Haftung!
Offene Diskussion erforderlich
Statt also die Verantwortung zwischen einzelnen Akteuren hin und her zu schieben, sollte klar sein, dass alle Gebietskörperschaften von der HETA betroffen sein werden. Das Land Kärnten kann seine primäre Verantwortung nicht abstreiten, der Bund muss seine faktische Betroffenheit (um das Wort „Haftung“ zu vermeiden) akzeptieren. Ein großer Teil der Kärntner Landeshaftungen wird spätestens 2016 schlagend werden – es ist höchste Zeit, schon jetzt über die Finanzierung der entstehenden Milliardenlücke nachzudenken. Dabei wird der Bund wohl oder übel mit Liquidität aushelfen müssen, das Land Kärnten wird eine ernsthafte und nachhaltige Budgetkonsolidierung einleiten und permanent umsetzen müssen.