Voraussetzung: Keine Reform auf Pump oder mit zusätzlichen Steuerbelastungen
Im Rahmen der bevorstehenden Steuerreform wird die Diskussion über mögliche Gegenfinanzierungen von immer größerer Bedeutung.
Da Österreich die Kriterien des Stabilitätspaktes erfüllen muss, um keine weiteren mittelfristigen Herabstufungen der Bonität und somit letztlich langfristig höhere Zinszahlungen auf die Staatsschulden zu befürchten, ist der budgetäre Spielraum ohne die Einführung neuer steuerlicher Belastungen äußerst gering. Neue Steuern oder eine 100% Gegenfinanzierung durch Steuererhöhungen würden aber nur zu einer Strukturverschiebung führen, nicht jedoch die im internationalen Vergleich hohe gesamte Abgaben- und Steuerquote senken und damit wirksame Wirtschaftsimpulse auslösen.
Daher sollte das Ziel sein, primär zumindest mittelfristig die Ausgabenseite zu reduzieren. Nur so kann eine nachhaltige Steuerentlastung für den Mittelstand erzielt werden, die eine wesentliche Zielsetzung der Reform darstellt. Allerdings ist das kurzfristig nicht ganz einfach, da viele Maßnahmen erst verzögert ihre Wirkung entfalten.
Trotzdem sollte eine Gesamtreform angestrebt werden – nicht zuletzt auch, um Sicherheit und Planbarkeit in Bezug auf die Zukunft zu ermöglichen. Eine größere Reform (wie z.B. eine grundlegende Tarifreform) sollte nicht daran scheitern, dass diese nicht von heute auf morgen finanzierbar ist. Denkbar wäre hier ein Stufenplan (siehe dazu Steuerreform mit Stufenplan?).
Auch wenn der volle Entlastungseffekt einer Steuerreform daher nicht sofort wirksam werden kann, muss nun rasch eine Zielstruktur für ein neues Steuersystems präsentiert werden, wobei im Idealfall auch die anderen Subsysteme (Sozialversicherung, Transfersystem, Subventionssystem) berücksichtigt und optimiert werden sollten.
Ausgabenseitige Potenziale: Aufgaben und Effizienz
Soll also die gesamte Abgabenquote bei einem stabilen Haushalt tatsächlich reduziert werden, so führt an einer Senkung der Staatsausgaben kein Weg vorbei. Ausgangspunkt für eine Ausgabensenkung muss immer eine kritische Diskussion und gesellschaftspolitische Einigung darüber sein, welche Aufgaben der Staat mit jeweils welcher Priorität erfüllen soll. Auf Basis dieser Zielvorgabe kann dann letztlich auch die Planung der Ausgaben vorgenommen werden. Unabhängig von dieser generellen Ausrichtung der Haushaltspolitik ist aber jedenfalls dafür zu sorgen, dass die vom Staat übernommenen Aufgaben effizient, also zu den geringsten möglichen Kosten durchgeführt werden.
Selbstverständlich gibt es viele Möglichkeiten, Ausgaben des Staates zu optimieren. Besonders lohnend sind hierbei die Vermeidung von „Reibungsverlusten“ an den Schnittstellen unterschiedlicher Systeme (beispielsweise Steuersystem und Sozialversicherungssystem oder Transfersystem), Effizienzsteigerung bei Verwaltungsprozessen sowie Maßnahmen, die Entscheidungskompetenz, Durchführungskompetenz sowie Finanzierungsverantwortung bei jeweils einem Akteur in Übereinstimmung bringen (hier liegen z.B. im Gesundheitssystem noch wesentliche weitere Potenziale).
Mögliche Ansatzpunkte für Ausgabenreduktionen
Ohne Anspruch auf Vollständigkeit sind folgende Ansatzpunkte für eine ausgabenseitige Konsolidierung sicher lohnend (die Volumina sind grobe Schätzungen aus unterschiedlich Quellen und hängen selbstverständlich auch maßgeblich von Umfang und Zeitstruktur der Maßnahmen ab):
- Vereinfachung des Steuersystems und Vereinheitlichung der Sozialversicherungssysteme sowie Angleichen der Bemessungsgrundlagen Steuer und SV inkl. gemeinsame Einhebung: Reduktion der Verwaltungskosten, damit Effizienzsteigerung im Rahmen der Finanzverwaltung: 50-500 Mio. (zeitlich gestaffelt wirksam)
- Straffung von Förderungen (Abbau von Mehrfachförderungen): bei dem Gesamtvolumen der Förderungen von rund 15 Mrd. wäre ein Prozent etwa 150 Mio. Durch Einführung von lückenlosen „Förderkonten“, auf denen alle Förderungen, die einem Fördernehmer von allen Förderstellen gewährt werden, erfasst werden, könnten daher relativ rasch Größenordnungen von 500 Mio – 1 Mrd. erzielt werden. Im Bereich der Transferleistungen gelten ähnliche Überlegungen, vor allem eine Stärkung der individuellen Subjektförderungen auf Basis eines „Transparenzkontos“ (statt vielfältiger Objektförderungen) wäre hier gerechter, wirksamer, treffsicherer und kostengünstiger.
- Verwaltungsreform: Ein Teil der wesentlichen Maßnahmen wurde bereits umgesetzt. Trotzdem sind noch einige hundert Mio. EUR durch jeweils kleinere Maßnahmen mittelfristig möglich (siehe 599 Vorschläge des Rechnungshofs). Auch die Weiterentwicklung der Rechnungslegungsvorschriften und Harmonisierung zwischen den Gebietskörperschaften sollte vorangetrieben werden.
- Steuerbetrugsbekämpfung: 300-500 Mio. EUR
- Pensionssystem: vollständige Umsetzung des Pensionskontos und Anhebung/Angleichung des Pensionsantrittsalters: einige hundert Mio. EUR (je nach Grad der Umsetzung, zeitlich gestaffelt – langfristig von besonderer Bedeutung)
- Gesundheitssystem: Verlagerung von stationärem Bereich hin zu niedergelassenen Ärzten (Ärztezentren etc.) sowie klare Finanzierungsstrukturen und Kompetenzen würde ebenfalls einige hundert Mio. EUR bringen. Langfristig würde auch die Verlagerung von Mitteln in den Bereich der Prävention Kostensenkungspotenzial bringen (kurzfristig allerdings Mehrkosten verursachen).
Mit den genannten Maßnahmen wären Einsparungspotenziale von etlichen hundert Mio. EUR bis in den einstelligen Milliardenbereich möglich. Manche dieser Vorhaben würden aber auch Anfangsinvestitionen erforderlich machen, um die langfristigen Potenziale nützen zu können. Nichtsdestotrotz werden wir um die Optimierung des Staats- und Verwaltungsbereichs sinnvollerweise nicht herumkommen. Und eine Entlastung, die Wirtschaftsimpulse setzt, muss sich auf die Ausgabenseite konzentrieren.