Wurde Griechenland „kaputtgespart“?
Immer wieder geistert eine Zahl herum: Griechenland habe aufgrund der Sparpolitik mehr als 25% seiner Wirtschaftsleistung (BIP) eingebüßt. Und das könnte als Beweis dafür dienen, dass Sparen der falsche Weg gewesen wäre.
Unabhängig davon, dass „Sparen“ nicht die korrekte Bezeichnung dafür ist, wenn die hohe Differenz zwischen Ausgaben und Einnahmen, also ein laufender Fehlbetrag im Staatshaushalt verringert wird und trotzdem per Saldo immer noch neue Schulden angehäuft werden – und unabhängig von der Notwendigkeit struktureller Reformen im Bereich der Verwaltung, des Rechtsrahmens (Grundbuch), des Steuersystems, des Pensionssystems und vieler anderer Bereiche, die erst einmal auf europäisches Niveau gebracht werden müssen, um die griechische Wirtschaft konkurrenzfähig zu machen: wie „arm“ ist Griechenland tatsächlich?
Selbstverständlich ist jeder einzelne arbeitslose oder von Armut gefährdete Mensch einer zu viel – ökonomisch und gesellschaftspolitisch. Die Betrachtung von Durchschnittszahlen ist auch immer nur eine statistische Kenngröße. Trotzdem ist sie aber ein guter Indikator für die Gesamtsituation – und Fragen der Verteilung innerhalb eines Landes liegen selbstverständlich im Verantwortungsbereich der nationalen Regierung. Ein Problem, das im griechischen Steuer- und Transfersystem sicher in den letzten Jahren konsequenter in Angriff genommen hätte werden sollen.
Reales BIP pro Kopf als Indikator
Auf Basis der offiziellen Eurostat-Daten kann man die Entwicklung des Wohlstandes der Bevölkerung unterschiedlicher Länder näherungsweise anhand des realen BIP pro Kopf abschätzen. Berechnet man einen Indikator und setzt ihn im Jahr der Euro-Einführung (1999) auf 100, so kann man die Entwicklung der Kaufkraft der Einkommen gut vergleichen.
Dabei zeigen sich teilweise recht interessante Ergebnisse:
- Zwischen 1999 und 2007 (also vor der Wirtschaftskrise) ist das griechische Einkommen um 33,9% gestiegen. Im selben Zeitraum jenes in Österreich um nur 16,3% und in Deutschland um 13,3%.
- Der Absturz des griechischen BIP im Zuge der Wirtschaftskrise und des Zusammenbruchs der griechischen Staatsfinanzen aufgrund der erheblich angehäuften Staatsschulden hat den Wohlstand im Jahr 2013 wieder genau auf das Niveau von 1999 gedrückt. Das Wachstum der Jahre davor war großteils schuldenfinanziert gewesen.
- Aktuell (2014) liegt das reale BIP je Einwohner in Griechenland trotz der dramatischen Schuldenkrise und der erforderlichen Konsolidierungsmaßnahmen, dem Ende der Kapitalmarktfähigkeit des Staates, einem Schuldenschnitt von mehr als 100 Mrd. EUR vor 3 Jahren und der schweren Vertrauenskrise im Vergleich zu 1999 immer noch um 1,2% höher. Griechenland war also eigentlich bereits auf dem Weg der Besserung.
- Italien liegt im Vergleich dazu aktuell (Daten für 2014 verfügbar) bei nur 95,8% des Wohlstandes von 1999 (ein Verlust von 4,2%).
- Bulgarien kann hingegen einen Zuwachs von 92,9% (!) auf 192,9% aufweisen, bei einem gleichzeitigen Schuldenabbau (von 44% des BIP auf 28% zwischen 2003 und 2014).
- Der Zuwachs an Wohlstand betrug in Deutschland 1999 bis 2014 etwa 18,6%, in Österreich rund 17,3%.